19.08.2014
Unten in Bayern zwischen Ingolstadt und Regensburg liegt Eining, ein kleines Dorf, rangeklatscht an die Donau und die ersten
Hügel, welche sich ein paar Kilometer weiter hinten zum „Donaudurchbruch“ aufspielen. Die Donau ist hier noch relativ klein, schwups ist man drübergefahren und hat es gar nicht gemerkt vor lauter
Hopfen, Äckern, Huppeln.
Eining hat – wie fast jeder Ort, zu dem ich mit meiner römischen Malerwerkstatt fahre – eine römische Vergangenheit, sogar
eine besonders schlimme: als Grenzposten an der Donau ist dies der Ort, an dem der Limes an die Donau anstößt; von hier bis weit nach Ungarn klammert sich die Grenze des Imperiums an den Fluss,
ähnlich wie er bereits mit dem Main verfuhr. Das Kastell Eining wurde dreimal zerstört: einmal in den Markomannenkriegen Mark Aurels, einmal beim „Limesfall“ ca. 260 und schließlich ca. 450
endgültig. Erst ein- oder zweihundert Jahre später siedelten ein paar hundert Meter weiter östlich wieder ein paar Bajuwaren. Die aufragenden Grundmauern und viele Infotafeln mit gut lesbarem
englischen Text verkünden diese hingezögerte Tragödie: wie die Garnison sich erst in eine Ecke zurückzog und die burgartig ausbaute, während die Zivilbevölkerung in die alte Kastellmauer
zurückwich.
Man merkt, dass man sich Ingolstadt nähert, wenn man nach Eining fährt: die Audis fliegen tief. Jenseits der Donau gehts
links ab, durch das verplüschte Bad Gögging, schön wie eine fünfjährige Immortelle, und ein anderes kleines Dörfchen, in dem dann schon die Scheunen leerstehen. Dann ist auf der linken Seite der
kleine Archäologische Park und rechts der große Parkplatz.
Glücklicherweise habe ich gelernt, „aus dem Eimer“ zu leben: der Ansturm auf meinen Malerstand am Freitag ist gewaltig,
schließlich hat noch keine andere Kinderbespaßung offen, manche kommen erst am Samstag. Pünktlich zur Eröffnung lässt das Gewitter nach. Mein Stand steht weit entfernt von Wasserquelle und den
anderen Attraktionen (aus irgendeinem Grund) bei den Militärdarstellungen. An Wasserwechsel ist nicht zu denken – gut, damit hätte ein Maler in Rom auch zu kämpfen gehabt. Als sich nach 19:00 Uhr
die Besucher wieder vertröpfeln, schaue ich mich mal um und suche die Freunde und Bekannten, die auch hier sein sollen. Für irgendwelche Lagerfeuergeschichten bin ich aber zu platt.
Und das wiederholt sich an den folgenden Abenden: der Ansturm ist gewaltig. Die bayrischen Familien haben liebe Kinder, wenn
sie nicht gerade „ich will maalllllln!“ nölen; ich muss trotz ausgebautem Tisch Wartelisten einführen und komme überhaupt nicht mehr dazu, irgendwas zu erklären oder zu erläutern. Genausogut
hätte ich die Farbe aus Baumarktflaschen spritzen können. Nur dann und wann fragt jemand, „und was sind das jetzt für Farben?“ und dann verschnaufe ich etwas und erkläre, egal, wieviel genölt
wird.
Eigentlich hätte man wirklich passend zu den Kettenhemden noch ein Kettenkarussell unterbringen können, das Fest war
wirklich eher Kirmes mit kostümierten Akteuren als historisch-didaktischer Event: das lag zum Teil auch an den Akteuren selbst. „Heterogen“ ist untertrieben: erstklassige Gruppen wie die
Vexillatio der Römerkohorte Opladen oder die Augsburger FAGUA gingen fast unter neben solchen, die mindestens einen Namen aus „Rome“ und „Gladiator“ in ihrer Tria Nomina trugen. Die
Gladiatorenkämpfe wurden mit Musik aus „Conan der Barbar“ unterlegt. Nach Einbruch der Dunkelheit tanzten dann drei zugegebenermaßen professionelle Mädchen eindrucksvolle Feuertänze, eine
Anspielung auf den (Brand-) Untergang des Kastells? Och nö.
Ich kann mich nicht beklagen, ich habe meinen Vertrag erfüllt, aber die Gefahr, dass Feste in Archäologischen Parks zu
„Römerkirmessen“ ausarten ist nicht gering. Hochwertige Handwerksvorführungen gehen unter in der Rummelplatzatmosphäre – und zurück bleibt ein diffuses Römerbild, das ein Nebeneinander von
Caipirinha an der Piratenbar, Plastik-Schaufensterpuppe, Varieté-Tanz und mehreren Abstufungen römischer Darstellung erlaubt; liebe Verantwortliche, das ist echt nicht gut.
Und dann fraßen mich auch noch die Mücken auf, trotz flächigem Auftrag von Autan. Weh mir!