07.09.2014
Wo man Römer mit oe schreibt und „I moggt amoll ebbis mole“ schriftsprachlich „Ich möchte gern noch was malen“ formulieren
würde, da ist die Schweiz. Die Römer haben sich in ihrer Geschichte erst relativ spät mit den Helvetiern angelegt, als alles drumherum schon erobert war: dafür ging es dann aber recht schnell,
nicht weniger als drei Alpenprovinzen wurden angelegt – interessanterweise alle im Westen – und man wandte sich interessanteren Dingen zu, wie z. B. in Germanien zu scheitern und es so bald nicht
wieder zu versuchen.
Augusta Raurica bezieht den Namen von Augustus, obwohl man sich darüber zoffen kann ob nun er oder ein Feldherr Caesars die
Stadt gründete. Wer den Namen gibt, bestimmt: das taten nach Caesar die Kaiser, und da Augustus seit 2000 Jahren tot ist, feiert man eben den (any excuse to throw a party).
Und weiss Gott, die Schweizer haben eine Party geschmissen!
Es war ein Fest für das Militär: die Legio XI als Gastgeber haben viele andere Gruppen aus Frankreich, Deutschland,
Tschechien und Italien angeschrieben – und viele kamen. Von den Flavii leider nur vier, aber was soll man machen. Ich als Maler bin gewissermaßen auf dem Trittbrett gefahren – ich wollte schon
immer mal einen Kollegen treffen und in Augst, so wusste ich, sollte einer sein (dazu später). Im Tal hinter der Curia sah man jedoch schon Tage vorher auf Facebook ein Lagerportal mit zwei
originalformatigen Holztürmen in die Höhe steigen, da muss man schon sagen, Respekt.
Denn schließlich passten mehr als 100 Milites dahinter. Die benahmen sich alle brav und anständig (zumindest in ihren
Interaktionen mit den zivilen Ständen auf dem Forum, eine Ebene höher), hatten aber auch genug zu tun: der Tagesplan bestand aus Drill, Vorführungen, öffentlichem Drill, Aufmärschen,
Militärformationen und und und. Viel habe ich davon nicht mitbekommen – außer den erschöpften Freunden – aber wenn sie bei Wind und Wetter vorbeimarschiert sind, sah das schon gut aus. Darsteller
römischer Militärs sind ein merkwürdiges Volk, sie ordnen sich ungern ein oder unter, und wer einmal einen Koyoten über der Schulter hängen hat ist nur schwer gewillt, sich zum höheren Zwecke
einer besseren Darstellung zu "degradieren" (oder liegt das weniger am Rom- als am Militär-Aspekt?). Egal. Hier hatten die Signiferi tatsächlich Löwen- und Bärenfelle über, das war ein anderer
Anblick als die, welche ich schon anderorts mit einem Schafffell "Ludde" auf den Schultern den Maximus mimen sah.
Die Masse machts, und Augusta Raurica legt da einiges vor: das Areal der antiken Stadt ist riesengroß, die modernen darauf
verstreuten Häuser bieder, doof und häßlich (und hier scheiden sich die deutsch-schweizerischen Geister: während in Deutschland das Ganze schon längst ein blühender, abgeschlossener
archäologischer Park wäre, ist es in der Schweiz eine etwas verpeilte Basler Vorstadt mit verstreut liegenden, phänomenalen Ruinen, denn die Schweizer "würden nie freiwillig aus ihren Häusern
gehen", was man in Deutschland durch Gerichtsbeschluss hinbekommen kann). Zum Römerfest kamen auch viele Zivildarsteller und das Forum verwandelte sich in einen richtigen Marktplatz mit vier
Reihen von Ständen, Händlern, Darstellern, darunter auch guten Bekannten wie dem Schleifischer Jörg und Archäopedi aus München – und natürlich Astrid Dingeldey, der Knochenschnitzerin, mit der
ich auch schon oft in Xanten war.
Und dann gab es Programm – der Cornicen Hagen zog dann und wann wie der Rattenfänger von Hameln vor einer Horde Kinder durch
die Gassen, welche mit aus Gartenschläuchen und Trichtern gebastelten Corni trötend hinter ihm her watschelten, auf dem Vorfeld des Forumstempels gab es Tanz und Musik, im Theater kämpften
Gladiatoren der Ars Dimicandi und gab es auch Theaterspiele, habe ich mir sagen lassen (denn sehen konnte ich davon nix, schließlich musste ich meinen eigenen Laden schmeißen). Zwei Frauen mit
Theatermasken gingen durch die Besuchersttröme und pantomimten die Kinder an, drei junge Bettler/innen erinnerten andererseits daran, dass in der Antike auch nicht alles eitel Wohlstand und
Sonnenschein war (ebenfalls eine hervorragende Idee, auch wenn die Bettlerlumpen etwas sehr schön und sauber waren). Eine gute Mischung aus Kommerz, Didaktik und Unterhaltung ist schwer
hinzubekommen – irgendwas fällt immer auf die Füße – aber die Augster Organisatoren haben ein Händchen dafür und offensichtlich auch die Mittel und Unterstützung.
Eitel Sonnenschein hatten wir am Samstag, und das Publikum rannte uns die Buden ein. Am Sonntag wurde das Wetter schlechter
und der Boden langsam zu Matsch. Trotzdem kamen immer noch relativ viele Leute und die meisten Programmpunkte wurden einfach örtlich verlegt – wobei es zu heroischen und wundervollen Szenen kam,
als Feuerwehrleute mit großen Sonnenschirmen durch den Regen rannten, um später unter ihrem Schutz je eine Handvoll frierender und nasser Tänzerinnen zurück zu ihren Garderoben zu eskortieren.
Ein Hoch auf die Augster Freiwillige Feuerwehr! Das war so gentlemanlike wie pfiffig.
Wer Augst besuchte, bekam etwas geboten, wer teilnahm, auch. Die "Creature Comforts" waren bemerkenswert, von der
Versorgung mit Kaffee und Essen bis zu den blitzsauberen Toiletten, die Milites in ihrem Lager bekamen sogar ihre eigene Tänzerinnen-und-Gladiatoren-Show. Am Sonntagabend zum Ausklang der
Veranstaltung sogar ein Essen für alle Teilnehmer! Ein gutes Zeichen dafür, wie sehr man sich dort – in Mobilfunkreichweite zu Deutschland – um die Menschen kümmert, die man als Akteure,
Darsteller, Gäste (alles in einem und jedes für sich) eingeladen hat.
Ach ja, mein Malerkollege: der malte schöne Mumienportraits mit nicht-antiken Maltechniken und ich sah ihn nur einmal ganz kurz.