26.01.2010
Heraclius oder Eraclius ist ein spätantiker, nach der vorherrschenden Meinung der Fachwelt frühmittelalterlicher Autor, der ein Werk namens "Farben und Künste der Römer" hinterlassen hat. Das
Werk ist bunt, entstehungsgeschichtlich und inhaltlich. Einige Kapitel sind in Versen abgefasst, andere ähneln Kochrezepten, andere sind Kochrezepte. Einig sind sich alle: einen "Heraclius" hat
es vermutlich nie gegeben, hier hat jemand viele Quellen und Gerüchte zusammengetragen und den klingenden Namen drangehängt.
Sich mit dem Heraclius auseinanderzusetzen bedeutet erst einmal, sich die relevanten Informationen zusammenzusuchen. In vier Fünfteln des Buches gibt er nämlich Rezepte und Tipps zur Herstellung
von Vergoldungen, Keramik- und Glasbemalungen und Buntglasherstellungen. Ein weiterer Teil ist der Herstellung von Farben und Tinten zugewiesen, und hier wird es interessant. Kann man wirklich
eine "Grüne Tinte zum Schreiben" mit Essig und starkem Honig herstellen, und wenn ja, was macht den Honig stark, und was für eine Wirkung wird intendiert, wenn das Gefäss mit der
grünwerdensollenden Mischung zehn Tage mit Mist bedeckt wird? Warmhalten? Manche Experimente möchte man einfach nicht machen.
Andere sollte man nicht machen, Bleiweiss herstellen zum Beispiel. Bleiweiss ist hochgiftig (wenn auch ein richtig schönes Weiss), der Prozess der Herstellung sieht Bleiplatten, ein
Eichenholzgefäß und Urin vor. Ich kaufe lieber Titanweiss im Laden – Zinkweiss wäre auch nicht schlecht gewesen – und gehe weiter vor wie beschrieben.
Für die Bereitung eines Malgrundes auf Holz fordert Heraclius fleißiges Polieren des Holzes (geht klar) und anschliessendes Einebnen der Malfläche mit einem Gemisch aus Wachs und Bleiweiss, mit
einer heissen Kelle. Kann man machen. Aber man sollte nicht hoffen, auf der Wachsfläche irgendeinen Pinselstrich mit Temperafarben anbringen zu können! Wasserabweisend perlt die Farbe zu kleinen
Inseln zusammen.
Man sollte auch das Gummi Arabicum aus den Farben lassen. Zwar lässt sich aus weissem Pigment, Eiweiss und Leinöl ein tolles Deckweiss mit enormer Deckkraft mischen, aber keine andere Farbe will
mehr darauf haften, und das Deckweiss lässt sich in keine andere Farbe mischen. Dennoch muss zugestanden werden: die Stabilität und Haftfähigkeit des Weiss hat sich stark erhöht, nach dem
Antrocknen lässt sich das Bild streicheln wie eine Katze, ohne dass man weisse Finger bekommt.
Aber auch gute Tipps zieht man aus dem alten Werk, die eine viel größere Komplexität hinter dem heute Reproduzierbaren erahnen lassen. Jede Farbe hat zwei zugeordnete Farben zum schattieren
(abdunkeln) und höhen (aufhellen): so ist gewährleistet, dass sich die Farben mischen lassen. Moderne Mischtechnik "mische alles mit allem" ging einfach nicht; im Experiment entdecke ich, weshalb
ich das Beutelchen mit Rebenschwarz vermutlich bei meinem Lebensende noch nicht aufgebraucht haben werde und weshalb die dunkelbraune italienische Erdfarbe den schönen Namen "Umbra", Schatten,
trägt.
Grün – Terra Verde – ist das unleidlichste Pigment, und offensichtlich schon immer gewesen. Heraclius beschreibt fünf Methoden, grüne Farbe herzustellen – aus Kupfer, aus Malven, Efeu und anderen
Blüten. Ich mische Terra Verde mit Eiweiss und Leinöl, vermale mit Wasserm, die Farbe trocknet und blättert ab. Nun wäre es angelegen, Gummi ("condimentum dicitur gummi") einzumischen, aber ich
habe das Deckweiss noch in schlechter Erinnerung. In schierer Verzweiflung mische ich Gouache in die Pampe. Das ist zwar inauthentisch, aber ich habe nicht ewig Zeit.
Zeit braucht es allerdings beim Malen mit antiken Farben, und ein bisschen Humor. Die Farben nehmen ausnahmslos nach dem trocknen einen anderen Ton an – das Pompeianischrot und das Ocker wird
heller (zum Glück), das Rostrot dunkler, mit hellen Farben gehöhte Bereiche werden gerne wieder dunkel mit nur der Ahnung einer leichten Aufhellung. Aber es macht Spaß. Malen ist mit der
Pinselspitze denken, ein intensives Erlebnis. Vor allem, wenn das eigentliche Abenteuer in Experiment, Übung mit und Herstellung der Farben und Techniken besteht.
80% Rühren, 10% Mischen, 10% Malen: das ist in etwa die Zeitaufteilung beim Hobby antiker Malerei.